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Rund um den Schü­ler­aus­tausch: Erfah­rungen, Länderwahl und besondere Programmarten

Die warme, klare Luft, der blaue Himmel, vor mir die grünen Hänge des Dorfes, weit hinten die blau wirkenden Hügel der umlie­genden Dörfer.

Sonntags morgens, zwischen acht und neun Uhr, auf den grünen Hängen eines bosni­schen Dorfes. Neben uns das Tablett mit dem bosni­schen Kaffee, verfüh­re­risch duftend und in den kleinen Tassen serviert. Daneben das dicke, weiche, weiße Brot, üppig bestrichen mit Ajvar, dem Papri­ka­auf­strich. Mein Gast­vater, der eine Tasse Kaffee nach der anderen leert. So sehr an den Espresso in Italien gewöhnt, wo er arbeitet. Zwischen­durch kurz aufstehen, um ein Schaf von den Rosen meiner Gast­mutter wegzuscheuchen.

Mein Lieb­lings­all­tags­moment aus meinem Schü­ler­aus­tauschjahr ist dieses Panorama und das Früh­stück mit meiner Gast­fa­milie auf den Hängen neben ihrem Haus.

Schü­ler­aus­tausch?“ „Bosnien?“

Ja, richtig gehört. Ich habe ein Austauschjahr in Bosnien und Herze­gowina verbracht.

Der Weg dorthin war nicht einfach, und daher möchte ich meine Erfah­rungen mit euch teilen.

Was euch in diesem Artikel erwartet

In diesem Artikel meiner Arti­kel­serie Raus aus der Komfortzone findet ihr Infor­ma­tionen und Erfahrung zum Schü­ler­aus­tausch, zur Länderwahl sowie zu beson­deren Programmen. Dann stelle ich eine Initiative für Schüler vor, die lesbisch, schwul, bise­xuell und tran­sident sind, ins Ausland möchten, und sich für die Erfah­rungen anderer inter­es­sieren. Zu guter Letzt geht es noch um Schü­ler­aus­tausch und Frei­wil­li­gen­dienste für Menschen mit Beeinträchtigung.

Warum der Schü­ler­aus­tausch etwas Beson­deres ist

Nach einem Schü­ler­aus­tauschjahr, einem Frei­wil­li­gen­dienst und einem Semester im Ausland bin ich der Über­zeugung, dass ein Schü­ler­aus­tausch eine besondere Erfahrung ist. Meine Erfahrung ist, dass man ganz anders in die Kultur vor Ort eintaucht.

Was ist meiner Meinung nach das Besondere am Schüleraustausch?

Man lebt in einer Gast­fa­milie und geht zur Schule; die Kultur des Gast­landes wird ständig erlebt. Mit der Zeit gewöhnt man sich an, kultu­relle Eigen­heiten nicht mehr als „anders“ zu sehen, sondern über­nimmt sie zu einem Teil wie selbst­ver­ständlich. Nach der Rückkehr ins Herkunftsland kommen einem auf einmal die Eigen­heiten der eigenen Kultur komisch vor.

Natürlich kann dies auch im Frei­wil­li­gen­dienst oder Auslands­se­mester der Fall sein. Manchmal lebt man auch im Frei­wil­li­gen­dienst in einer Gast­fa­milie: In dem Fall ist das Eintauchen in die fremde Kultur wohl ähnlich intensiv wie im Schüleraustauschjahr.

Natürlich sind auch die Erfah­rungen eines Schü­ler­aus­tau­sches sehr indi­vi­duell. Einige werden eher die Erfahrung eines inter­na­tio­nalen Umfeldes machen, wenn sie z.B. viele Austausch­schüler als Freunde haben.

Darüber hinaus sind Austausch­schüler jünger als Frei­willige oder Studenten. Ist man jünger, geht man anders mit den Erfah­rungen im Gastland um und wird anders geprägt als z.B. im Studium oder nach dem Abitur. In vielen Ländern gelten junge Menschen länger als Kind und als weniger selbst­ständig als in Deutschland. Ich denke, es ist einfacher, im Alter von 16 oder 17 Jahren damit umzu­gehen als im Alter von 20 Jahren.

Zwar sind durch das G8 Schul­ab­gänger teil­weise erst 17 Jahre alt, jedoch können sie meist als Minder­jährige keinen Frei­wil­li­gen­dienst im Ausland absolvieren.

Daher ein Vorteil des Schü­ler­aus­tau­sches: Wenn du nach dem (Fach-)Abitur zu jung für einen Frei­wil­li­gen­dienst wärst, kannst du schon vorher während der Schulzeit ins Ausland gehen. Nach dem Schul­ab­schluss bist du dann voll­jährig und hast es einfacher z.B. an der Univer­sität. Du brauchst nicht mehr für alles eine Unter­schrift von deinen Eltern und bist unabhängiger.

Du solltest dir aber sicher sein, dass du schon bereit für einen Schü­ler­aus­tausch bist. Wenn du große Zweifel hast, dich eigentlich nicht traust und (noch) nicht weg möchtest, dann spricht nichts gegen das Abwarten. Auch nach der Schule, während, oder nach dem Studium gibt es viele Möglich­keiten, ins Ausland zu gehen. Viel­leicht ist das die bessere Alter­native für dich. Wenn du dir sicher bist, ins Ausland zu gehen und mit mehr Freude daran gehst, hast du wahr­scheinlich auch viel mehr von deinem Auslandsaufenthalt.

Ich möchte keinem, der noch sehr jung ist, ausreden, einen Schü­ler­aus­tausch zu machen. Aus eigenen Erfah­rungen kann ich aber sagen, dass es einigen Austausch­schülern besser getan hätte, mit dem Auslands­auf­enthalt noch etwas zu warten.

Es ist deine Entscheidung. Überlege es dir gut. Infor­miere dich über Erfah­rungs­be­richte und befrage ehemalige Austausch­schüler zu ihren Erfahrungen.

Einen Schü­ler­aus­tausch kann ich mir nicht leisten“

Du denkst jetzt: „Das wäre was für mich“? Aber gleich­zeitig „Das kann ich mir nicht leisten“?

In meinem nächsten Artikel dieser Serie findest du Infor­ma­tionen, Tipps und meine Erfah­rungen rund um das Thema Finan­zierung. Gib deinen Traum nicht gleich auf, sondern mach dich auf die Suche nach Finan­zie­rungs­mög­lich­keiten! Es gibt viele Möglich­keiten, deinen Traum zu verwirklichen.

Länder­auswahl

Hast du dich schon zu einem Schü­ler­aus­tausch in Rumänien, auf den Phil­ip­pinen oder in Mexiko infor­miert? Nein? Warum eigentlich nicht?

Was spricht denn eigentlich dagegen?

Du möchtest lieber in ein Land, wo du deine Englisch- oder Fran­zö­sisch­kennt­nisse verbessern kannst?
Häufig wird gesagt: „Du verbes­serst überall deine Englisch­kennt­nisse“. Das stimmt natürlich nur bedingt. Während meines Schü­ler­aus­tausch­jahrs habe ich nur sehr selten Englisch gesprochen. Dagegen während meines Frei­wil­li­gen­dienstes umso mehr. Beide Länder waren nicht englisch­sprachig. Mein engli­scher Austausch­partner eines Kurz­zeit­aus­tau­sches hat mir nach meinem Frei­wil­li­gen­dienst bestätigt, dass ich mein Englisch verbessert habe.

Jedoch ist es nicht unwahr­scheinlich, dass du auch in nicht-englisch­spra­chigen Ländern Kontakt zu anderen Austausch­schülern hast, deine Camps auf Englisch sind oder du dich mit deiner Gast­fa­milie zumindest zu Anfang auf Englisch unter­hältst. Und deine Englisch­kennt­nisse verbessern sich auch dann.

Viele Unter­nehmen fordern, je nach Job natürlich, Englisch­kennt­nisse. Viele auch eine weitere Sprache. Deine Englisch­kennt­nisse kannst du später noch verbessern, etwa durch weitere Auslands­auf­ent­halte, Englisch-Stamm­ti­schen in deiner Stadt, an der Uni, wenn du viele Texte auf Englisch lesen musst, und so weiter. Das Austauschjahr bietet dir die Chance, durch einen Gast­fa­mi­li­en­auf­enthalt eine Sprache zu lernen, die du nicht so einfach in Deutschland lernen kannst. Du kannst dich dann mit Menschen unter­halten, mit denen du dich sonst viel­leicht nie unter­halten könntest. Das ist auf jeden Fall spannend und lohnt sich sicherlich.

Du traust dir nicht zu, in ein Land zu gehen, dessen Sprache du nicht sprichst?

Die Sprache nicht zu sprechen, oder erst vor Ort zu lernen, hat auch seine Vorteile. Wenn dir jemand komisch kommt, kannst du immer noch so tun, als würdest du ihn nicht verstehen. 😉

Du willst unbe­dingt in ein Land?

Warum willst du denn unbe­dingt in ein Land? Du wirst vermutlich Gründe haben, warum dich ein Land besonders inter­es­siert. Das ist ja auch voll­kommen in Ordnung. Es kann aller­dings sein, dass du im Land selbst in eine eher unty­pische Gast­fa­milie kommst, in einen Landesteil, der anders ist als deine Vorstel­lungen, oder dass deine Schule nicht so typisch ist. In dem Fall kann es sein, dass deine Erwar­tungen an das Land nicht erfüllt werden. Auch da musst du dann offen sein. Deswegen finde ich es proble­ma­tisch, wenn Schüler nicht offen genug zumindest für zwei, drei oder vier Länder sind. Wer sich auf ein Land festlegt und auch in kein anderes Land möchte, hat viel­leicht zu starke Erwar­tungen an dieses eine Land.

Exotische“ Länder, in denen wenige Austausch­schüler sind, haben auch einige Vorteile. Deine Mitschüler inter­es­sieren sich eher für dich, weil du etwas Beson­deres bist. Sie finden es viel­leicht sogar merk­würdig, dass du dich über­haupt für ihr Land inter­es­sierst. Meine bosni­schen Mitschüler haben sich immer um mich gekümmert, mich in der Pause mit in den Super­markt genommen und mir geholfen. Wenn ich im Unter­richt irgend­welche Sätze geschrieben habe, um meine Gram­ma­tik­kennt­nisse im Bosni­schen zu üben, hat mir meist irgendwer das Heft wegge­nommen und es korrigiert.

Basketball, Musik­un­ter­richt, Archäo­logie und vieles mehr im Austauschjahr

Du spielst leiden­schaftlich Basketball oder Tennis? Archäo­logie klingt spannend und du würdest dich gerne mal damit beschäf­tigen? Du hast einen mitt­leren Schul­ab­schluss und weißt nicht so genau, welches Berufsfeld dir liegt? Du singst schon seit längerem im Chor oder spielst ein Musik­in­strument? Kunst oder Theater ist deine Leiden­schaft? Du möchtest mehr zum Thema Film und Filme­machen erfahren?

Dann aufge­passt: Die Orga­ni­sa­tionen AFS und YFU bieten spezielle Programme in verschie­denen Ländern zu diesen Schwer­punkten an. Je nach Programm gehst du z.B. in eine Schule mit einem Film­schwer­punkt, nimmst an Exkur­sionen zu Natur- und Umwelt­themen teil oder besucht eine Musik­schule. Diese Schwer­punkte werden zurzeit ange­boten: Archäo­logie, Musik, Kunst, Natur und Umwelt, Film, Theater, JobKompass (Berufs­schule), Basketball und Tennis.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Neben den viel­fäl­tigen Erfah­rungen, die ein Austauschjahr bietet, kannst du deiner Leiden­schaft weiter nach­gehen, oder erhältst einen Einblick in neue Themen. Wer weiß, viel­leicht findest du ja so auch ein Berufsfeld, in dem du später arbeiten möchtest!

Die Schwer­punkte werden in mittel- und osteu­ro­päi­schen Ländern ange­boten. Auch wenn du von den Ländern erst einmal nicht so angetan bist, lies doch erst einmal ein paar Erfah­rungs­be­richte. Viel­leicht hört es sich ja doch ganz spannend an. Hinterher kannst du dich ja immer noch gegen die ost- und mittel­eu­ro­päi­schen Desti­na­tionen entscheiden. Aber dann hast du dich zumindest infor­miert, und bereust es später nicht, dass du dich z.B. nicht mit Serbien oder Estland ausein­an­der­ge­setzt hast.

Ein Auslandsjahr erfordert einiges an Offenheit und Interesse für Neues von dir. Du wohnst auf einmal in einem anderen Land, bist umgeben von Leuten, die du noch nicht lange kennst. Deine Schule und das ganze Schul­system sind neu für dich. Deine Gast­fa­milie hat viel­leicht eine ganz andere Religion, die Kultur ist anders, die Sprache auch.

Wenn du während eines Auslandsjahr so offen sein wirst und Unbe­kanntes entdeckst, warum dann nicht schon vorher? Schaue dir auch Länder an, die dir auf den ersten Blick nichts sagen. Lies Erfah­rungs­be­richte oder sieh einen Film zum Land an. Hinterher kannst du dich immer noch für ein anderes Land entscheiden. Außerdem ähneln sich viele Erfah­rungen eines Austausch­jahrs länder­über­greifend. Das Zusam­men­leben mit einer neuen Familie etwa. Deswegen sind auch Erfah­rungs­be­richte aus anderen Gast­ländern spannend!

Daher habe ich euch hier einige euro­päische und andere nahe Länder aufge­listet. Die Liste zeigt dir, welche Orga­ni­sation welchen Schwer­punkt in den Ländern anbietet. Du findest auch Links zu Erfah­rungs­be­richten der verschie­denen Länder.

Queer­Tausch

Queer­Tausch ist eine Gruppe von Ehren­amt­lichen bei der Schü­ler­aus­tausch­or­ga­ni­sation AFS, die sich mit Themen zu lesbi­schen, schwulen, bise­xu­ellen und tran­si­denten Menschen im Schü­ler­aus­tausch und im inter­na­tio­nalen Frei­wil­li­gen­dienst ausein­an­der­setzt. Auf der Website finden sich Erfah­rungs­be­richte dieser Gruppen im Frei­wil­li­gen­dienst und Schü­ler­aus­tausch. Bei Fragen, etwa zur Länderwahl als lesbi­scher, schwuler, bise­xu­eller oder tran­si­denter Mensch, kann man sich an Queer­Tausch wenden. Außerdem finden sich auch einige Erfah­rungs­be­richte zu Regen­bo­gen­fa­milien, die Austausch­schüler aufge­nommen haben.

Link: http://www.queertausch.de/

Schü­ler­aus­tausch und Frei­wil­li­gen­dienst für Menschen mit Beeinträchtigung

Da ich ein Fan von Diver­si­fi­zierung der Teil­neh­mer­gruppen im Schü­ler­aus­tausch bin, habe ich versucht, mehr Infor­ma­tionen zum Thema Schü­ler­aus­tausch für Menschen mit Beein­träch­tigung zu finden. Außer hier  habe ich nicht viel gefunden. Die einzige Orga­ni­sation, die sich konkret dazu äußert, ist admundi. Daneben findest du hier einige Tipps zur Planung eines Auslandsaufenthaltes.

Wenn du selbst eine Beein­träch­tigung hast und gerne ein Schuljahr im Ausland verbringen möchtest, frage einfach mal bei verschie­denen Austausch­or­ga­ni­sa­tionen nach. In mehreren Inter­net­foren kann man lesen, dass einige große Austausch­or­ga­ni­sa­tionen z.B. schon Austausch­schüler im Roll­stuhl vermittelt haben, z.B. AFS und YFU. Warum also nicht auch dich! Frag einfach mal nach. Und wenn du im Ausland bist, berichte doch von deinen Erfah­rungen, damit mehr Menschen mit Beein­träch­tigung diese Möglichkeit kennen.

Eine andere Möglichkeit ist ein Frei­wil­li­gen­dienst im Ausland. Die Orga­ni­sation bezev berät junge Menschen mit Beein­träch­tigung, die einen Frei­wil­li­gen­dienst im Ausland machen möchten. Dabei greifen sie auf ein großes Netzwerk an Entsen­de­or­ga­ni­sa­tionen zurück, die offen für Inklusion sind. Du kannst also nicht nur in die Projekte von bezev im Ausland gehen, sondern auch in andere Projekte. Außerdem findest du Filme von anderen Auslands­frei­wil­ligen mit einer Beeinträchtigung.

Du hast selbst eine Beein­träch­tigung und einen Schü­ler­aus­tausch gemacht  (oder einen anderen Auslands­auf­enthalt)? Schreibe doch von deinen Erfah­rungen. Hast du Tipps, welche Orga­ni­sa­tionen besonders hilf­reich waren? Wie findest du die Infor­ma­tionen auf den oben genannten Seiten?

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