Du hast dich zu den Freiwilligendiensten informiert? Dich reizt am Europäischen Freiwilligendienst die Möglichkeit, dir das Projekt selbst zu suchen?
Dann bist du hier genau richtig. Ich gebe dir in diesem Artikel meiner Artikelserie Raus aus der Komfortzone Tipps, die auf meinen eigenen Erfahrungen beruhen.
Wenn du dir erstmal einen Überblick zu den verschiedenen Freiwilligendiensten verschaffen möchtest, schau doch mal hier rein.
Schritt 1: Suche nach Entsendeorganisationen
Um einen Europäischen Freiwilligendienst (EVS oder EFD) zu machen, brauchst du eine deutsche Entsendeorganisation und eine Aufnahmeorganisation in deinem Gastland. Manche Einsatzstellen kümmern sich nicht selbst um die administrativen Belange deines Freiwilligendienstes. In diesem Fall ist eine Koordinierungsorganisation zuständig.
Eine deutsche Entsendeorganisation kannst du über diese Datenbank finden. Wähle unter „EVS accreditation type“ „Sending organization“ und bei „Organization country” “Germany” aus. Du kannst dich entweder durchklicken oder bei “advanced search” noch eine Stadt in deiner Nähe eingeben.
Die meisten Entsendeorganisationen haben feste Partnerorganisationen in andere Länder. Diese sichern ihnen entweder ein festes Platzkontingent oder sind besonders offen für Freiwillige der Entsendeorganisation. Wenn du dir nicht selbst eine Einsatzstelle suchen möchtest, kannst du dich auf die Plätze der Entsendeorganisationen bewerben. Du hast hier normalerweise eine sehr viel bessere Chance, genommen zu werden, als bei der eigenständigen Projektsuche. Die Projektstellen oder generelle Bereiche und Länder, in denen solche Stellen verfügbar sind, findest du auf der Website der Entsendeorganisationen.
Schritt 2: Frage, ob du dir selbst ein Projekt suchen kannst
Du möchtest dir trotzdem ein Projekt selbst suchen? Dich interessiert ein bestimmter Bereich? Oder du willst in ein Land, welches meist nicht angeboten wird?
Nicht jede Entsendeorganisation ist offen dafür, dass du dir selbst ein Projekt suchst. Du musst dich also erst auf der Website der Organisationen informieren oder nachfragen.
Schritt 3: Bewerbe dich bei den Entsendeorganisationen
Meist gehört zur Bewerbung ein Informationstag dazu. Wenn du nicht aus bestimmten Gründen eine andere Entsendeorganisation bevorzugst (z.B. weil du bereits gute Erfahrungen mit ihr gemacht hast), bietet sich eine Entsendeorganisation in der Nähe deines Wohnortes an.
Schritt 4: Mache dir Gedanken zu deinem Wunschprojekt und Land
Bevor du die Suche nach einem Projekt startest, solltest du dir Gedanken zu deinem Wunschprojekt machen:
- Was macht dir Spaß?
- Was möchtest du arbeiten? In welchem Bereich möchtest du tätig sein? Kannst du dir vorstellen, z.B. mit älteren Menschen oder Kindern zu arbeiten?
- In welchen Ländern kannst du dir vorstellen, zu arbeiten?
- Was möchtest du lernen?
- Was machst du, falls dein Projektantrag bei der EU nicht bewilligt wird?
Überlege dir Alternativen. Zu dem Projektantrag findest du weiter unten mehr Infos.
Viele junge Leute möchten in erster Linie nach Frankreich, Großbritannien oder Irland. Das gilt nicht nur für Deutschland- auch in vielen anderen Ländern sind dies die Wunschländer für den EFD. Das heißt, du hast eine riesige Konkurrenz, wenn du dich auf Projekte dort bewirbst.
Du möchtest unbedingt in ein Land, wo du deine Englisch- oder Französischkenntnisse verbessern kannst? Mir wurde nach meinem Freiwilligendienst von meinem ehemaligen englischen Austauschpartner bestätigt, dass sich meine Englischkenntnisse enorm verbessert haben. Ich war in Italien.
Natürlich ist dies etwas Anderes, als wenn du 10–12 Monate in Großbritannien verbringst. Aber auch in vielen anderen Ländern kommunizierst du mit deinen Mitfreiwilligen und vielen anderen oft auf Englisch. Und deine Englischkenntnisse verbessern sich auch dann. Häufig werden Englischkenntnisse zwar für Jobs gefordert. Wenn du ein Studium abschließen solltest, wird automatisch angenommen, dass du gute Englischkenntnisse hast. Diese kannst du aber auch während des Studiums verbessern. Nutze doch die Chance und lerne eine weitere Sprache während deines Freiwilligendienstes! Auch das kann deine Jobchancen erhöhen.
Du traust dir nicht zu, in ein Land zu gehen, dessen Sprache du nicht sprichst?
Die Sprache nicht zu sprechen, oder erst vor Ort zu lernen, hat auch seine Vorteile. Wenn dir jemand komisch kommt, kannst du immer noch so tun, als würdest du ihn nicht verstehen. 😉 Außerdem macht das Gestikulieren, das Erklären mit Händen und Füßen, mit Mimik und herumliegenden Gegenständen sehr viel Spaß. Und es kreiert viele Running Gags, über die du mit deinen neuen Freunden noch Jahre später lachen wirst!
Du willst unbedingt in ein Land?
Warum willst du denn unbedingt in ein Land? Du wirst vermutlich Gründe haben, warum dich ein Land besonders interessiert. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung. Es kann allerdings sein, dass du in einen Landesteil kommst, der eher untypisch ist. Oder du nimmst eine weniger interessante Einsatzstelle in Kauf.
Du verbringst wahrscheinlich viel Zeit in der Einsatzstelle. Stell dir vor, du bist in einem langweiligen Job und machst jeden Tag Sachen, die dir keinen Spaß machen. Dafür bist du in einer wunderschönen Stadt, die du dann abends und am Wochenende genießen kannst. Ist es dir das wert? Oder würdest du den interessanteren Job vorziehen?
Sei doch erstmal offen und informiere dich zu verschiedenen Ländern. Viele Erfahrungsberichte aus verschiedensten Ländern findest du hier. Hinterher kannst du dich immer noch gegen Aserbaidschan, Estland oder Portugal entscheiden. Eine Chance, längere Zeit in diesen Ländern zu verbringen, bekommst du vielleicht nicht so schnell wieder!
Schritt 5: Starte die Suche nach passenden Projekten
Die Suche nach passenden Projekten kannst du auch schon beginnen, bevor du bei dem Informationstag deiner Organisation warst oder eine Zusage bekommen hast.
Du kannst in dieser Datenbank nach Aufnahmeprojekten suchen.
Dafür wählst du zunächst unter „EVS accreditation type“ „Receiving organisation“ (Aufnahmeorganisation) aus. Außerdem kannst du ein Land auswählen („Organisation country“), Themen der Organisation („Organisation topics“). Du kannst unter „advanced search“ nach weiteren Kriterien filtern. Wenn du eine Behinderung hast und z.B. eine barrierefreie Organisation suchst, kannst du „organisations with a physical environment suitable for volunteers with physical, sensory or other disabilities (such as wheelchair access and similar)” auswählen oder unter “inclusion topics” “disability” anklicken.
Nun solltest du erstmal Projekte suchen. Filtere nach verschiedenen Ländern und Themen und schaue dir Projekte an. Wenn du interessante Projekte findest, erfasse sie in einer Excel Tabelle. Das hilft dir später, den Überblick über die vielen Projekte zu behalten.
Baue sie doch z.B. so auf:
Schritt 6: Kontaktiere die Projekte im Ausland
Du findest auf den Projektseiten leider keine Information, ob und ab wann die Organisationen einen Freiwilligen suchen.
Du kannst jetzt Organisationen einen Motivationsbrief und deinen Lebenslauf schicken. Tipps und eine Vorlage dazu findest du hier.
Alternativ kannst du kurze E‑Mails versenden, und die Organisationen fragen, ob sie freie Plätze haben, ab wann sie Freiwillige suchen und wie du dich bewerben sollst. Manche Organisationen haben z.B. zusätzlich ihren eigenen Bewerbungsbogen, den du ausfüllen musst.
Viele Organisationen erhalten so viele Bewerbungen, dass sie dir nicht antworten. Oder sie schreiben erst, wenn sie gerade schon die Bewerbungen der anderen durchsehen. Du wirst viele Organisationen kontaktieren, die gerade oder generell keine Freiwilligen mehr suchen.
Wenn du dir Zeit sparen willst und Eigeninitiative zeigen willst, rufe doch einfach an.
Das klingt jetzt vielleicht beängstigend: Du sollst in einem fremden Land anrufen und auf einer anderen Sprache telefonieren?
Keine Angst. Du verstehst die Person am anderen Ende nicht? Du musst vielleicht mehrmals nachfragen? Na und. Die Person am anderen Ende wird verstehen, dass du die Sprache nicht so gut sprichst und deshalb nachfragst. Vielleicht kann sie selbst nur mittelmäßig Englisch. Sie wird nicht deine Persönlichkeit bewerten. Sie wird nicht denken: „Oh, diese Person ist nicht intelligent.“. Vielleicht ist sie unfreundlich, weil sie gerade einen schlechten Tag hat. Aber du wirst wahrscheinlich nur eine der Einsatzstellen persönlich kennenlernen. Die anderen Personen wirst du wahrscheinlich nicht kennenlernen. Was interessiert dich dann ihre Meinung?
Du schaffst das. Schreibe dir am Besten vorher auf, was du sagen willst. Wort für Wort. Das gibt dir Sicherheit. Du kannst dir ja auch überlegen, was du in bestimmten Fällen sagen kannst.
Ein Beispieltext könnte sein: „Hi, my name is … I am calling because I read that I can do a European voluntary Service in your association. Are you searching for a volunteer right now? How do I apply?”.
Warum du besser anrufen solltest als E‑Mails zu schreiben?
- Du bekommst viel schneller eine Antwort. Bei E‑Mails wartest du häufig lange und am Ende erhältst du vielleicht gar keine Antwort. Wenn du gleich einen Motivationsbrief mit verschickst, wendest du vielleicht viele Stunden für die Briefe auf. Das frustriert, wenn keine Rückmeldungen kommen, oder nur negative.
- Am Telefon bekommst du gleich eine Rückmeldung. Falls du etwas nicht verstanden hast, kannst du Rückfragen stellen.
- Du kannst dir auch was auf deine Eigeninitiative einbilden. Und auf deinen Mut. Nicht jeder traut sich, bei Organisationen im Ausland anzurufen.
- Du lernst, auf anderen Sprachen auch in eher schwierigen Situationen zu kommunizieren.
Schritt 7: Finde ein Projekt
Jetzt kommt viel Arbeit auf dich zu: Anrufen, E‑Mails schreiben, Bewerbungen schreiben, vielleicht mal nachhaken bei einigen Organisationen.
Speichere deine Bewerbungen systematisiert ab. Das hilft bei der Erstellung neuer Bewerbungen. Pro Land oder Themenbereich einen Ordner, pro Einsatzstelle die Dokumente in einen Unterordner. Wenn du den Ordner jeweils nach der Einsatzstelle und dem Thema des Projekts benennst, findest du dich gut zurecht. Wenn du eine Bewerbung für einen Kindergarten schreibst, kannst du eine andere deiner Bewerbung suchen, die ein ähnliches Thema hat.
Zu guter Letzt: Gib nicht auf.
Ich habe viele Bewerbungen (es waren über 60, schätze ich, oder vielleicht auch mehr) geschrieben. Nachdem ich bei verschiedenen Organisationen angerufen habe, hatte ich das mit Abstand witzigste Telefonat. Ich schilderte mein Anliegen und wurde von der englisch sprechenden Person an den EVS-Koordinator weitergegeben. Erneut schilderte ich mein Anliegen. Da stellte der Koordinator fest, dass er kein Englisch kann. Ich wurde also wieder an die englisch sprechende Person weitergegeben. Nacheinander stellte ich meine Fragen. Nach jeder Frage folgte ein italienisches Sprachgewirr am anderen Ende der Leitung: Die Fragen wurden dem Koordinator übersetzt und er musste antworten. Dann stelle ich die nächste Frage. Und wieder hörte man am anderen Ende eine wirre italienische Diskussion. Ich schickte meine Bewerbung und erhielt den Platz. Später merkte ich: Dieses Telefonat war repräsentativ für meine etwas chaotische italienische Aufnahmeorganisation.
Das Telefonieren hat mich sehr viel schneller zu meinem Projekt gebracht als die vielen schriftlichen Bewerbungen. Insgesamt war der Bewerbungsprozess sehr aufwendig. Aber aus heutiger Sicht kann ich sagen: Es hat sich gelohnt.
Ein Tipp: Melde dich für den Mailverteiler der Villa Leipzig an. Du erhältst dann immer wieder E‑Mails mit Projekten, die Freiwillige suchen.
Schritt 8: EU-Antrag des Projekts
Wenn du ein Projekt gefunden hast, informiert die Aufnahmeorganisation deine deutsche Entsendeorganisation. Dann wird ein Antrag an die EU gestellt, damit diese den Freiwilligendienst bezahlt. Etwa 80% der Projekte werden bewilligt. Du solltest dir für den Notfall eine Alternative überlegen, falls dein Projekt nicht bewilligt wird.
Rausvonzuhaus bietet dir auch eine Last Minute Börse, u.a. mit Freiwilligendienst-Angeboten. Dort findest du auch spontan viele Projektangebote, mach dir keine Sorgen, da ist bestimmt was für dich dabei.
Schritt 9: Auf geht’s ins Ausland
Es geht los! Dein Antrag wurde bewilligt. Voller Vorfreude und Spannung machst du dich auf in viele Abenteuer!
Linktipps
Einige Entsendeorganisationen im Freiwilligendienst (alle mit eigenständiger Projektsuche):
http://www.eurocircle.de/angebote/entsendung/
http://www.ijgd.de/auslands-dienste/ab-6-monate/europaeischer-freiwilligendienst-evs.html
Du hast auch einen Europäischen Freiwilligendienst gemacht und dir dein Projekt selbst gesucht? Dann berichte von deinen Erfahrungen!